Arbeiten am Limit
Kyra Quaas ist Leiterin der Schuldnerberatung im DRK-Kreisverband Ostvorpommern-Greifswald e.V. und seit 1993 als Schuldnerberaterin tätig. In all den Jahren haben sie und ihr Team viel erlebt: verschiedene Träger, unterschiedliche Finanzierungsmodelle, Projekte zur Gestaltung der Beratungslandschaft. Doch noch nie war die Unsicherheit bei stetig steigendem Arbeitsaufkommen so groß wie heute. Grund dafür ist das neue Wohlfahrtsgesetz, das für mehr Transparenz sorgen sollte.
„Das Gesetz verfehlt aus meiner Sicht sein eigentliches Ziel und sorgt stattdessen für Planungsunsicherheit bei Trägern und für Sorgen bei den Mitarbeitern“, sagt Kyra Quaas. Grund dafür ist die Regelung zur Finanzierung der Beratungsstellen: 45 Prozent der Kosten übernimmt das Land, 45 Prozent der Landkreis und 10 Prozent der Träger. „Wenn der Landkreis die Summe X gibt, steuert das Land den gleichen Anteil bei. Kann der Landkreis nur deutlich weniger aufbringen, gibt das Land auch nur den reduzierten Betrag dazu“, erläutert die Leiterin. „Die Beratungsstellen im Land sind also völlig von der finanziellen Ausstattung ihres Landkreises abhängig“, ergänzt sie. „In der Vergangenheit ist in Schwerin eine Beratungsstelle komplett weggefallen, als die Kommune pleite war. Anderswo wurden schon reihenweise Mitarbeiter gekündigt“, weiß die erfahrene Beraterin. Das sorgt auch in ihrem Team für große Verunsicherung. „Wir machen unsere Arbeit mit viel Leidenschaft, sind hochqualifiziert, setzen uns für unsere Klienten ein und haben gleichzeitig Ängste und Sorgen um unsere eigene Zukunft. Und da gibt es nicht nur uns, sondern auch unsere Familien“, sagt Doreen Sadewasser, Beraterin in Anklam. „Ohne einen Träger wie das DRK hält man das nicht aus. Wir sind dankbar, dass der DRK-Kreisverband hinter unserer Arbeit steht und diese wertschätzt. Wir fühlen uns wohl in der Rotkreuz-Gemeinschaft und haben, anders als bei anderen Trägern, viel Zusammenhalt und Menschlichkeit erlebt und einen Geschäftsführer, der sich für uns einsetzt“, sagt Schuldnerberater Ingo Röwer. „So viel Planungsunsicherheit muss ein Träger auch erstmal mitmachen“, ergänzt er.
Noch etwas Anderes ist dem Team der Schuldnerberatung wichtig. „Es wird immer davon gesprochen, dass die Beratung im Land bedarfsorientiert sein soll. Seit Jahren decken wir den Bedarf nicht ab, alle Träger gemeinsam schaffen das nicht“, ist sich Kyra Quaas sicher. Dafür macht sie eine einfache Rechnung auf: „Die Schuldnerquote in Mecklenburg-Vorpommern liegt laut Statistik der Creditreform bei 10,5 Prozent. Rechnet man das auf den Landkreis herunter, ergibt das 24.757 überschuldete Privathaushalte, die Beratung und Unterstützung benötigen“, berichtet sie. Ausgehend von derzeit 586 aktenkundigen Fällen (für 2020) erreichen die Beratungsstellen des DRK in Anklam und Wolgast lediglich 2,367 Prozent der überschuldeten Personen im Kreis. „Der hohe Bedarf spiegelt sich auch in der Zahl der Anfragen, die uns erreichen, wider. Diese sind zahlreich und wir müssen auf längere Wartezeiten verweisen, obwohl wir wissen, wie groß der Leidensdruck für die Klienten in ihrer Notlage ist“, sagt Verwaltungskraft Ricarda Virchow. Notfalltermine werden innerhalb von maximal fünf Tagen vergeben. „Wir brauchen aber nicht nur Zeit für den Klienten selbst, sondern auch um alle Neuerungen zu erfassen und darauf zu reagieren. Dafür fehlt die Zeit. Ein weiterer Abbau im Bereich der Schuldnerberatung ist nicht möglich“, sagt die Leiterin der Beratungsstelle. Wenn sie sich etwas wünschen könnte, wären das: Ein neues Wohlfahrtsgesetz, das die Abhängigkeit vom Landkreis auflöst, eine angemessene Finanzierung, eine echte Orientierung am Beratungsbedarf im Land und eine langfristig sicher aufgestellte Schuldnerberatung - für ihre Mitarbeiter und für die Menschen, die sie bestmöglich beraten will.
Ihre Ansprechpartnerin:
DRK-Kreisverband Ostvorpommern-Greifswald e.V.
Schuldnerberatung
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